Schutz auch für gesunde Partner

HIV-Therapie

Das Konzept „Therapie zur Prävention“ gegen HIV scheint zu funktionieren – auch außerhalb von Studien, wie Kollegen aus China und den USA zeigen. Allerdings gibt es Einschränkungen.
Die antiretrovirale Behandlung eines HIV-Infizierten kann den nichtinfizierten Partner vor einer Infektion schützen. (© Lauren Hamels/Fotolia)
Die antiretrovirale Behandlung eines HIV-Infizierten kann den nichtinfizierten Partner vor einer Infektion schützen. (© Lauren Hamels/Fotolia)

PEKING. Hinweise darauf, dass unter Nichtstudienbedingungen bei heterosexuellen Paaren mit stabilen Partnerschaften die antiretrovirale Behandlung des HIV-Infizierten den Nichtinfizierten vor einer Infektion schützen kann, hat jetzt die größte derartige Studie in China mit fast 40.000 diskordanten Paaren erbracht.

Retrospektiv ausgewertet wurden unter anderem Daten zur Therapie und zum HIV-Status zwischen Anfang 2003 und Ende 2011 (Lancet 2012; online 1. Dezember).

In China infizieren sich Menschen mit dem Aids-Erreger vor allem auf sexuellem Wege und bei intravenösem Drogengebrauch sowie im Wesentlichen Anfang bis Mitte der 1990er-Jahre bei der Plasmaspende. Die Infektion erfolgte dabei über die Reinfusion gepoolter Erythrozyten.

Bei den mehr als 14.800 Paaren ohne antiretrovirale Therapie lag die HIV-Neuinfektionsrate bei 2,6 pro 100 Personenjahre. Im Mittel betrug die CD4-Zellzahl zu Studienbeginn bei den HIV-Infizierten 441 / Mikroliter.

In der Vergleichsgruppe mit mehr als 24.000 behandelten Paaren lag die HIV-Neuinfektionsrate nur bei 1,3 pro 100 Patientenjahre, also nur noch halb so hoch.

Die HIV-Positiven hatten vor Aufnahme in die Studie eine mittlere CD4-Zellzahl von 168 / Mikroliter. Aufgrund der Ergebnisse errechnet sich eine relative Reduktion der HIV-Transmissionsrate von 26 Prozent.

Nach Angaben von Dr. Zhangwei Jia von den chinesischen CDC (Centers for Disease Control and Prevention) war die Reduktion im ersten Jahr nach Beginn der Messungen signifikant. In den folgenden vier Jahren war der Unterschied nachweisbar, aber nicht mehr signifikant.

Nur kurzer Follow-up

Die chinesischen Infektiologen, die mit dem US-amerikanischen Institut für Allergie und Infektionskrankheiten der NIH zusammenarbeiteten, stellten darüber hinaus fest, dass die Therapie eher einen präventiven Effekt hatte, wenn die HIV-Infizierten sich im Zusammenhang mit einer Plasmaspende oder auf heterosexuellem Wege angesteckt hatten als durch intravenösen Drogengebrauch, der möglicherweise mit einer schlechteren Adhärenz assoziiert ist.

Unabhängig davon, ob behandelt oder nicht, übertrugen Frauen leichter als Männer das Virus auf den seronegativen Partner.

Wie zu erwarten waren Partner von HIV-Infizierten mit mindestens 250 CD4-Zellen / Mikroliter eher vor der Virusübertragung geschützt als Partner von HIV-Infizierten, die weniger CD4-positive Zellen im Blut hatten.

Dass der präventive Effekt der Therapie nur ein Jahr anhielt, können sich die Infektiologen auf der Basis der Studiendaten nicht erklären. Eine Möglichkeit könne sein, dass die Studie nur eine unzureichende Teststärke hatte, vor allem aufgrund der Tatsache, dass im späteren Verlauf der Studie die Serokonversionsraten sanken.

Eine andere Ursache könne eine Resistenzentwicklung sein. Eine Zweitlinientherapie gegen HIV sei noch immer nicht breit verfügbar.

Ein Nachteil der Studie sei, dass das mediane Follow-up recht kurz gewesen sei: in der Gruppe ohne Therapie 1,2 Jahre und in der Therapiegruppe 2,4 Jahre.

Das liege daran, dass im Verlauf der Studie die meisten Paare erst gegen Ende, also zwischen 2009 und 2011 aufgenommen wurden. In weiteren Studien müsse daher der Langzeiteffekt der Prävention durch Therapie noch ermittelt werden.

Nach Ansicht der Forscher stützen die retrospektiv ermittelten Studiendaten das Ergebnis der prospektiven klinischen Studie HPTN 052, in der durch die frühe antivirale Behandlung – also bereits bei einer CD4-Zellzahl unter 550 / Mikroliter – das relative Risiko einer HIV-Übertragung um 96 Prozent reduziert wurde. Diese Studie ist Grundlage einer entsprechenden Empfehlung der WHO.


Von Peter Leiner
Quelle: ÄrzteZeitung