Berlin/Erfurt – Die Deutsche AIDS-Hilfe (DAH) hat das Urteil des Bundesarbeitsgerichts zur Kündigung HIV-Infizierter begrüßt. Der Sechste Senat hatte am Donnerstag in Erfurt entschieden, dass HIV-infizierte Arbeitnehmer nicht allein wegen ihrer Krankheit entlassen werden dürften (6 AZR 190/12).
Geklagt hatte ein chemisch-technischer Assistent, der 2010 von einem Arzneimittelhersteller für die Arbeit im Reinraum eingestellt worden war. Als der Arbeitgeber jedoch von der HIV-Infektion des Mannes erfuhr, kündigte er ihm noch während der Probezeit. Den Richtern zufolge sei eine HIV-Infektion allerdings nach den Gleichbehandlungsgrundsätzen einer Behinderung gleichzusetzen. Damit stünden die Betroffenen unter besonderem Diskriminierungsschutz. Dies treffe auch für die Probezeit zu. Ein Rauswurf wegen einer HIV-Infektion stelle somit eine unmittelbare Benachteiligung dar und sei daher unwirksam.
Allerdings entschieden die obersten Arbeitsrichter über die Klage des Gekündigten nicht und verwiesen den Fall zurück an das Landesarbeitsgericht in Berlin. Hier müsse nun noch einmal überprüft werden, ob durch angemessene Vorkehrungen für die Beschäftigung von HIV-Infizierten dem Kläger die Arbeit im Reinraum hätte ermöglicht werden können.
Guter Tag für alle chronisch Kranken
„Das ist ein guter Tag für die Rechte aller, die mit einer chronischen Erkrankung leben, und ein guter Tag für Menschen, die ihre Interessen in die eigenen Hände nehmen“, kommentierte DAH-Vorstandsmitglied Carsten Schatz. Das jahrelange Verfahren sei vermeidbar gewesen. „Die Rechtsunsicherheit aufgrund der mangelhaften Umsetzung der EU-Richtlinie zur Antidiskriminierung und der UN-Behindertenrechtskonvention durch die Große Koalition der Jahre 2005 bis 2009 wurde heute beendet“, so das Vorstandsmitglied.
Als „wegweisend“ bezeichneten Diskriminierungsschutzstellen das Erfurter Urteil. „Auf diese Entscheidung haben die mit HIV infizierten Menschen in Deutschland lange gewartet“, sagte die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christine Lüders. Die Geschäftsführerin des Büros zur Umsetzung von Gleichbehandlung in Berlin, Vera Egenberger, sieht eine Grauzone beseitigt und damit auch den Diskriminierungsschutz chronisch Kranker gestärkt.
Wichtiges Signal für die Rechtsprechung in Deutschland
Aus der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenkonvention hieß es, das Gericht habe klargestellt, dass eine Diskriminierung wegen einer HIV-Infektion ebenso wenig zulässig ist wie die Ungleichbehandlung aufgrund von Geschlecht oder Hautfarbe. „Die Entscheidung ist ein wichtiges Signal für die Rechtsprechung in Deutschland: das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz muss ebenso wie andere Gesetze im Lichte der UN-Behindertenrechtskonvention verstanden werden“, so Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention.
Quelle: Ärzteblatt