Manchmal muss es eben MuMM sein …

Wer bei „Mumm“ an ein alkoholisches Getränk denkt, liegt an dieser Stelle
falsch. Hier nämlich ist „Mut“ gemeint. Den braucht beispielsweise, wer in der eigenen
Community über HIV informieren und aufklären will. MuMM ist daher ein passendes Kurzwort für ein DAH-Projekt mit dem etwas sperrigen Titel „Migrantinnen und Migranten als Multiplikator/innen für die HIV/STI-Prävention“.

Sich engagieren und Wissen weitergeben

Von Januar bis April 2012 haben sich in Berlin 19 Frauen und Männer zu Multiplikatorinnen und Multiplikatoren für die Prävention von HIV und anderen sexuell
übertragbaren Infektionen (STIs) schulen lassen. Unterrichtet wurde in den Räumen
der Berliner Aids-Hilfe – freitagnachmittags und an zwei Wochenenden, insgesamt  65Stunden. Einerseits ging es um den Erwerb von Grundkenntnissen zu HIV/Aids
und anderen STIs, zum Gesundheitssystem nicht unbedingt mit Schwangerschaftsverhütung aus, während heterosexuelle Frauen
und Männer nicht immer in Sachen schwules Leben und schwuler Sex Bescheid
wussten. Ein anderes Beispiel: Manche Teilnehmer hatten bereits mit Drogen
zu tun gehabt, andere dagegen nicht.
„Drogen waren für mich ein ganz unbekannter Bereich“, erzählt Dorin aus Rumänien.
Weil er in seinem Herkunftsland HIV-positive Freunde habe, wolle er sich in
diesem Feld engagieren und erfahren, wie in Deutschland, zur Schwangerschaftsverhütung und zur Schadensminderung beim
Drogenkonsum. Zugleich lernte die Gruppe Methoden zur partizipativen Erfassung
des Gesundheitswissens und des Präventionsbedarfs einer Community kennen. Ein
Training zum Erwerb interkultureller Kompetenzen rundete das Lernprogramm ab.
„Die Berliner Gruppe ist besonders stark gemischt“, berichtet Nozomi Spennemann
vom Verband für Interkulturelle Arbeit, die MuMM am Spree-Standort leitet. „Die Teilnehmer stammen aus Afrika, Ostasien und Osteuropa und haben sehr verschiedene
Motivationen, Hintergründe und Sprachniveaus. Diese Vielfalt hat die Zusammenarbeit
zwar nicht gerade erleichtert, aber immer bereichert.“

Erste Projekte sind bereits realisiert

Kiumars aus dem Iran hat mit Unterstützung der Aidshilfe eine Aufklärungsbroschüre
in persischer Sprache erarbeitet. Die will er jetzt in seiner Community streuen. „Ich
habe aber noch mehr Ideen, wie ich das Gelernte umsetzen kann“, sagt Kiumars.
Für Kiumars aus dem Iran war nicht nur wichtig, dass er eine Menge Neues über
die rechtliche Situation von Migranten erfahren hat: „Vor allem hab ich auch tolle
Leute kennengelernt, die genauso denken wie ich und sich engagieren wollen.“

“ Ulaş, der vor neun Jahren aus Ankara nach Berlin kam, möchte seine Kenntnisse am liebsten an Vorstände türkischsprachiger Vereine weitergeben. „Es gibt dort ein Potenzial, das man aktivieren müsste – Schlüsselpersonen können das.

Manchmal muss es eben MuMM sein 01

Kiumars (li.), DAH-Projektleiterin Tanja Gangarova & Ulaş (re.) beim Motzstraßenfest in Berlin

Manchmal muss es eben MuMM sein 02Dazugelernt hat auch Nurcan aus der Türkei: Nurcan zum Beispiel will das erworbene Know-how in ihrem Beruf als Gemeinde- Dolmetscherin bei Gesundheit Berlin e. V. wie auch in der Berliner Aids-Hilfe einsetzen, wo sie ehrenamtlich mitarbeitet. „Wir haben viele türkischsprachige Klienten, und ich habe selber Zugang zu unseren Communities. Für mich ist es deshalb sehr einfach, viele Menschen zu erreichen.
„Vor der Schulung habe ich gedacht, ich weiß über HIV und STIs Bescheid. Aber danach ist mir klar geworden, wie wenig ich tatsächlich darüber gewusst habe.“Dazu dienten Hospitationen in Beratungsstellen oder Projekten, die mit Migration und Gesundheit zu tun haben. Zum Abschluss der Schulung stellten sich
daher verschiedene Einrichtungen vor und gaben den „frisch gebackenen“ Multiplikatorinnen und Multiplikatoren Einblick in ihre Arbeit – zum Beispiel das Zentrum für sexuelle Gesundheit und Familienplanung Charlottenburg-Wilmersdorf, das Projekt
„Afrika-Herz“ für afrikanische Migranten, der „Frauentreff Olga“ für Beschaffungsprostituierte, das Schoolwork-Projekt der
Berliner Aids-Hilfe oder „subway“, ein Projekt für Jungs, die anschaffen gehen.

MuMM endet im Dezember 2012. Danach soll das Projekt ausgewertet und ausführlich
dokumentiert werden. Schon jetzt aber sorgt man für seine Nachhaltigkeit.
„Wir möchten natürlich, dass die MuMMLeute in ihren Communities weiterhin als
Multiplikatoren aktiv bleiben“, so Tanja Gangarova. „Deshalb unterstützen wir sie
bei der Suche nach Beschäftigungsmöglichkeiten in kommunalen Einrichtungen und
Projekten im Feld ‚Migration und Gesundheit‘.“ Mit einem ersten Erfolg: Dianha aus
Uganda hat eine Stelle bei der Berliner Aids- Hilfe bekommen, wo sie eine erkrankte Sozial- und Migrationsberaterin vertritt.