Von Sören Hendrik Maak
Wer Gutes für andere tun und sein Blut spenden will, muss ehrlich sein: „Hatten Sie schon einmal Intimkontakt mit einem anderen Mann?“ So steht es auf dem Fragebogen, den jeder potentielle Blutspender ausfüllen muss. Antwortet der Hilfswillige mit „Ja“, bleibt die gute Tat nur ein Wunschgedanke, denn in Deutschland ist es homosexuellen Männern noch immer verboten, Blut zu spenden.
Für Interessenverbände homosexueller Menschen wie dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) kommt das einer Diskriminierung gleich. Doch die Ausschlusskriterien werden von der Bundesärztekammer bestimmt. So legt es das Transfusionsgesetz fest. Und die Kriterien besagen: Männer, die Sexualverkehr mit Männern haben, sind dauerhaft von einer Blutspende ausgeschlossen.Jetzt aber kommt Bewegung in die Debatte: „Die Landesregierung wird darauf hinwirken, die bisherigen Blutspende-Regelungen dahingehend zu ändern, dass sie künftig keine pauschalen Ausschlusskriterien aufgrund von Gruppenzugehörigkeiten enthalten und damit dem Generalverdacht über homosexuelle Männer sowie deren Diskriminierung entgegenwirken“, verkündete Rainer Robra, Staatsminister von Sachsen-Anhalt (CDU) vor kurzem in Magdeburg.
Der ursprüngliche Antrag war von den Grünen gekommen, die sich auch in Thüringen und in Nordrhein-Westfalen mit der SPD für ein Umdenken einsetzen. Im NRW-Gesundheitsausschuss war es bereits im März zu einem Expertengespräch mit fünf Sachverständigen gekommen. Die Betroffenen schöpfen daher neue Hoffnung.
Schon im Vorfeld aussortiert
Bisher werden Homo- und Bisexuelle schon im Vorfeld aussortiert: Über die Messung von Temperatur, Puls und Hämoglobinwert kommen Schwule in deutschen Blutspendestationen nicht hinaus. Spätestens im obligatorischen Gespräch mit dem Arzt, der mit dem Spender dessen Fragebogen durchgeht, ist Endstation. Einzige Ausnahmen: Schwule ohne Sexualerfahrung und Schwindler. Doch wer im Blutspendefragebogen lügt, muss mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.
Angesichts der neueren Entwicklungen seitens der Politik gibt sich der LSVD-Bundesverband vorsichtig optimistisch: Es sehe so aus, „als ob es innerhalb der Ärztekammer zu einem neuen Diskussionsprozess kommt“, sagt Markus Ulrich.
Die Landesregierung Sachsen-Anhalts jedenfalls beabsichtigt, „an das Bundesministerium für Gesundheit sowie die Bundesärztekammer heranzutreten“. Denn ohne die Kammer und das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) geht in der Sache nichts. Dort versichert man aber bisher lediglich, die Richtlinien würden „laufend überprüft“.
Zwei Fliegen mit einer Klappe
Die Befürworter einer Spendenzulassung Homosexueller wollen zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Erstens soll der als diskriminierend empfundene Umgang mit Schwulen beendet und zweitens das Gesamtaufkommen von Blutkonserven erhöht werden. Erst vor kurzem registrierte das Deutsche Rote Kreuz (DRK) einen Rückgang der Blutreserven und fürchtete angesichts der Grippewelle einen gefährlichen Engpass.
Doch wie riskant wäre eine Zulassung von Homosexuellen zur Blutspende? Laut PEI ist „zweifelsfrei belegt, dass Sexualverkehr unter Männern mit einem gegenüber heterosexuellem Sexualverkehr erheblich höherem Risiko einer HIV-Übertragung behaftet ist“. Dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge werden etwa 68 Prozent der HIV-Neuinfektionen bei Homosexuellen registriert. Und: Mit den heutigen HIV-Tests kann eine ganz frische HIV-Infektion nicht ausgeschlossen werden.
Aber natürlich ist nicht jeder Homosexuelle automatisch HIV-positiv. Dennoch gab das DRK unmissverständlich zu verstehen, die Gesellschaft ginge ein zusätzliches Risiko ein, um den Anschein einer Diskriminierung von homo- und bisexuellen Männern bei der Blutspende zu entkräften. „Wir wissen, dass wir beim Ausschluss der Spender eine sachlich begründete und gerechtfertigte Ungleichbehandlung einzelner Spendewilliger vornehmen“, sagt Friedrich-Ernst Düppe, Pressesprecher beim DRK-Blutspendedienst West. „Darum kommen wir aber nicht herum.“
Das PEI weist zudem darauf hin, dass sich der Spenderausschluss aufgrund sexuellen Verhaltens keinesfalls auf homosexuelle Männer beschränke. In der Tat sind neben Drogenabhängigen sowie männlichen und weiblichen Prostituierten auch heterosexuelle Menschen mit häufig wechselnden Geschlechtspartnern von der Spende ausgeschlossen.
Doch das hilft monogamen und in einer stabilen Beziehung lebenden Schwulen auch nicht weiter. Sie haben keinerlei Chance, Blut zu spenden, wenn sie sich als bereits sexuell aktive Schwule zu erkennen gegeben haben. Es gibt auch keine Sperrfrist wie in Neuseeland, Australien und Südafrika, wo Schwule nach einer jahrelangen Zeit der Enthaltsamkeit spenden dürfen.
Geht es nach den Ausschlussgegnern, könnte der deutsche Weg ein Kompromiss sein: Statt Homosexualität als K.-o.-Kriterium zu werten, könnte der Fragebogen nur sexuelles Risikoverhalten (Sexualpraktiken, Promiskuität, ungeschützten Verkehr) überprüfen. Zwar wird hiernach bereits gefragt. Die Frage „Hatten Sie schon einmal Intimkontakt mit einem anderen Mann?“ wird trotzdem gestellt. spiegel.de