Stille Gefahr: Infektionen mit Hepatitis-B- und -C-Viren bleiben oft unerkannt. Die Betroffenen drohen an Leberkrebs und Leberzirrhose zu erkranken. Um die verborgenen Ansteckungen aufzuspüren, fordern Leberexperten Routinetests.
Bernd Walther* hat Leberkrebs. Der bösartige Tumor hat noch keine Metastasen gestreut, die Chirurgen können die Geschwulst herausschneiden. Der Auslöser war vermutlich eine unerkannte Infektion mit dem Hepatitis-C-Virus. Dabei gehört Bernd Walther keiner der Risikogruppen für diese Krankheit an. Vielleicht hätte er sich sonst vorsorglich untersuchen lassen – eine Kontrolle der Leberwerte oder ein gezielter Virustest hätte eine frühe Behandlung ermöglicht.
Bis zu einer Million Menschen leiden in Deutschland an einer Infektion mit dem Hepatitis-B- oder -C-Virus, schätzen Experten. „Hepatitis B und C sind zwar für Labor und Arzt meldepflichtig. Aber man kann eine Infektion nur melden, wenn sie auch erkannt wird“, sagt Heiner Wedemeyer von der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Besonders bei Migranten bleibe die Infektion oft unentdeckt.
Die Virusinfektionen sind auch für viele Leberzirrhosen und Krebserkrankungen wie bei Bernd Walther verantwortlich. Dabei ist gerade die Zirrhose in frühen Stadien heilbar. Bei der Krankheit wird funktionierendes Lebergewebe in eine Art Bindegewebe umgebaut, lange Zeit kann die Leber den Prozess umkehren. Dauerhaft erfolgversprechend ist das vor allem, wenn auch die Hepatitis-Infektion behandelt wird.
Nachholbedarf
„Was die Forschung zu Hepatitis anbelangt, ist Deutschland spitze. Doch was die Versorgung und das Erkennen von Infektionen betrifft, haben wir im Vergleich zu anderen Ländern Nachholbedarf. In Frankreich zum Beispiel werden seit Jahren bei jedem Patienten, der zum Arzt kommt, die Leberwerte und das Vorhandensein von Hepatitis-Viren kontrolliert“, sagt Wedemeyer. Zwar sind die Leberwerte nicht bei allen Betroffenen erhöht, aber auf diese Weise könnte man zumindest einen Teil der Infektionen entdecken..
Deshalb wünscht sich Wedemeyer, die Leberkontrolle bei ohnehin erforderlichen Untersuchungen zu integrieren: „Bei Patienten, die zu bestimmen Risikogruppen gehören, sollte zusätzlich ein spezieller Virustest erfolgen.“ Zu diesen Risikogruppen gehören spritzende Drogenkonsumenten, bei denen nicht nur die Nadeln, sondern auch Zubehör die Viren übertragen können. Gefährdet sind auch Migranten. Zudem bestand bei Bluttransfusionen bis 1999 ein erhöhtes Infektionsrisiko, bevor die Untersuchung der Blutspende auf das Hepatitis-C-Virus verpflichtend für die Blutspendedienste wurde. Das Risiko einer sexuellen Ansteckung ist beim Hepatitis-C-Virus minimal, beim Hepatitis-B-Virus dagegen höher.
Um Infektionen frühzeitig zu erkennen, fordern die Deutsche Leberhilfe und das Aktionsbündnis Hepatitis und Drogengebrauch in einem Aktionsplan ein besseres Screening. Auch unabhängige Leberexperten wie Reinhart Zachoval von der Universität München oder Präsident des Bundesverbandes der Internisten, Wolfgang Wesiack, befürworten das Screening.
„Im Moment werden mit dem Hepatitis-B- oder -C-Virus infizierte Menschen eher zufällig entdeckt. Nur durch die routinemäßige Untersuchung der Leberwerte und gegebenenfalls durch zusätzliche Virustests sind Betroffene auffindbar“, sagt Zachoval.
Wolfgang Wesiack unterstützt die Screening-Idee, weil Leberkrebs weltweit inzwischen die fünfthäufigste Krebserkrankung ist. Auch in Deutschland steigt die Zahl der Betroffenen. „Aufwand und Ertrag müssen allerdings in einem vernünftigen Verhältnis stehen. Die Leberwerte sollten möglichst routinemäßig untersucht werden, was relativ günstig ist. Einen teuren Virustest würde ich nur dann vornehmen, wenn das Gespräch mit dem Patienten entsprechende Hinweise liefert“, so Wesiack.
Das Virus in Schach halten
„Bisher ist die Bestimmung der Leberwerte nicht einmal Teil des Check-up 35, obgleich dies pro Patient nur sehr wenig kostet. Dabei wäre die Bestimmung der Leberwerte auch im Zusammenhang mit der Fettleber und dem metabolischen Syndrom sehr wichtig“, sagt Wedemeyer.
Bei Hepatitis B gebe es Medikamente, die das Virus in Schach halten könnten und so Leberzellkrebs und eine Leberzirrhose ganz verhindern. Bei der Hepatitis C werde sich die Therapie in den nächsten Jahren verbessern, hofft der Leberexperte.
Bereits 2014 soll bei bestimmten Hepatitis-C-Infektionen eine Therapie ohne den Wirkstoff Interferon Alpha möglich sein, der häufig Nebenwirkungen hervorruft. Doch es reiche nicht, allein die Wirksamkeit der Medikamente zu verbessern. „Wir brauchen eine Task-Force“, so Wedemeyer, „die unseren Aktionsplan konsequent umsetzt.“
* Name von der Redaktion geändert